Die längsten 28 Stunden meines Lebens
Seit März 2020 sind bekanntlich Kanadas Grenzen für Ausländer mehr oder weniger dicht. Auf der Internetseite der Regierung von Kanada gibt es eine lange Liste, was erlaubt ist und was nicht. Es bleiben Grauzonen, beispielsweise, was schlussendlich als „triftiger Grund“ akzeptiert wird. Das letzte Wort hat immer noch der zuständige Grenzbeamte. Bislang wurden bereits über 18.000 Ankommenden die Einreise verweigert, darunter zahleichen Deutschen.
Robert K., ein langjähriger Mandant unserer Kanzlei und Experte aus der Rohstoffbranche, berichtete uns von seinem ganz persönlichen Erlebnis:
Als Betreiber und Eigentümer mehrerer Minen in BC musste er sich dringend mit seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern treffen, nachdem die Corona-Krise den Geschäftsalltag gehörig durcheinandergewirbelt hatte. Seine Expertise vor Ort ist unabdinglich für die Vorbereitungen auf den kommenden Winter und der Sicherung der 20 Arbeitsplätze – also durchaus triftige Gründe für diese Reise.
Um kein Risiko einzugehen, hat Robert bereits im Vorfeld eine umfassende Auslandskrankenversicherung abgeschlossen und mehrere Stellungnahmen seiner Geschäftspartner und Berater vor Ort mit im Gepäck. Sogar mit der kanadischen Botschaft in Berlin hat er sich abgesprochen, um ja kein Risiko einzugehen. Der Botschaftsmitarbeiter versicherte ihm, dass er direkt den zuständigen kanadischen Grenzposten unterrichten wird. Natürlich hatte er auch noch einen offiziellen, negativen Covid19-Testbescheid vom Vortag der Reise dabei.
Es sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen, als er nach 12 Stunden Flug an der kanadischen Grenze dem Beamten alle Unterlagen präsentierte und ihm darlegte, warum er von den geltenden Einreisbeschränkungen befreit sei. Der Grenzbeamte begleitete ihn daraufhin in ein Wartezimmer, wo er auf den diensthabenden Chief Officer warten sollte. Nach fast 2 Stunden kam dieser dann endlich, um ihm ohne große Anhörung zu eröffnen, dass die dargelegten Gründe aus seiner Sicht nicht ausreichend seien und er mit dem Flieger am nächsten Tag wieder nach Deutschland zurückreisen müsse.
Als Robert zu verhandeln begann, schaltete der Officer in eine härtere Gangart mit den Worten: „Nummer 1 ist Premier Trudeau, Minister Marchi Nummer 2 und dann komme ich – und ich sage: Sie kommen hier nicht rein!“. Er legte Robert ein Formular vor, in dem er bestätigt, seine Rückweisung vorbehaltslos anzuerkennen und auf jegliche Rechtsmittel zu verzichten. Vorsorglich wies ihn der Officer darauf hin, dass er ihm andernfalls ein Einreisverbot für 5 Jahre aussprechen würde.
Geschockt und der Verzweiflung nahe, unterschrieb Robert letztendlich und sein Reisepass wurde vorläufig sichergestellt. Inzwischen war Robert 4 Stunden am Flughafen Vancouver und der nächste Flieger in die Heimat ging in exakt 24 Stunden.
So gestrandet im Transit-Terminal, verbrachte Robert einen Tag und eine Nacht im grellen Flughafenlicht, auf und zwischen seinem Gepäck. Unglücklicherweise befinden sich in diesem Bereich weder Läden, noch Lounges oder Restaurants. Alle 15 Minuten machte die Durchsage „Bitte beachten Sie die Corona-Hygienevorschriften! – Halten Sie Abstand und tragen Sie Ihren Mund- und Nasenschutz!“ jeden Einschlafversuch zunichte.
Nachdem Robert endlich im Flieger nach Frankfurt saß, bekam er von den folgenden 12 Stunden Flug nicht mehr allzu viel mit.
Angesichts dieser dramatischen Geschichte, die man sich bisher so nicht vorstellen konnte, können wir allen Nicht-Kanadiern nur eindringlich von Reisen nach Kanada abraten, bis die aktuell bestehenden Einreisbeschränkungen ausgelaufen sind.